Bodendenkmalpfleger führen Training zur Rettung verunfallter Taucher durch.

Am vergangenen Samstag konnte die Gesellschaft für Schiffsarchäologie e.V. nach einer zweijährigen Pause wieder ein Tauchertraining durchführen. „Unsere Mitglieder leisten zum Teil schwere Arbeit an den Bodendenkmalen unter Wasser. Um sich verantwortungsbewusst auf die Aufgaben konzentrieren zu können, müssen Tauchfertigkeiten geübt und das Agieren in Notfällen regelmäßig trainiert werden,“ sagt Vereinsvorsitzender Martin Siegel.

Um realistische Bedingungen bestmöglich nachzustellen, hat die Neptunschwimmhalle das tiefere Sprungbecken für einige Stunden bereitgestellt. Trotz warmer Halle und Wassertemperaturen um die 30°C kommen die Taucher in voller Montur, als wollten sie in der kalten Ostsee abtauchen. Für Übungsleiter Dirk Schwolow ist es allerhöchste Zeit, die Trainings nach den Zwangspausen der letzten Jahre wieder aufzunehmen. „Wahrscheinlich nur wegen unserer jährlich stattfindenden Rettungsübungen konnten Mitglieder in der Vergangenheit Probleme unter Wasser lösen und dadurch Schlimmeres verhindern. Wichtig sind die Wiederholungen, aber auch die Kommunikation über Gefahrenpotential und besondere Vorfälle in den Tauchgruppen.“ Denn kommt bei einer schwierigen Situation unter Wasser Panik auf, kann es schnell kritisch werden. Also lernen die Bodendenkmalpfleger das richtige Verhalten bei blockiertem oder abblasendem Atemregler durch Kälte, Wechselatmung mit dem Tauchpartner bei Luftnot, Signalbojen aus der Tiefe an die Wasseroberfläche zu schicken oder auch einfach zu tarieren, sprich unter Wasser zu schweben. Insbesondere der gefürchtete Ernstfall wird geübt.

Der Rettung eines bewusstlosen Tauchers an die Wasseroberfläche schließt sich der Transport und die Bergung ins Boot oder an Land an. Hier wird den Tauchern viel abverlangt, aber es stehen den Rettern mehrere Varianten zur Verfügung. Am Ende heißt es, egal wie, Hauptsache es klappt. Und genau das sind die Ziele: gemeinsam Erfahrungen sammeln, Austausch, Routinen entwickeln, um auf unterschiedlichste Ausgangssituationen bewusst und mit Selbstvertrauen reagieren zu können. Nach der Bergung geht es aber am Beckenrand trocken weiter. Der Verunfallte muss versorgt werden, jemand muss die Rettungskette aktivieren und Helfer einbeziehen. Hier übernimmt Vereinsmitglied und zugelassener Taucherarzt Matthias Hohlbein. In seiner Einführung stellt er fest, „dass im lebensfeindlichen Element Wasser leicht erkennbare bzw. behandelbare Symptome schnell zu gravierenden Problemen führen können.“ Man stelle sich einen Hustenanfall, Krämpfe und schlimmer einen Schlaganfall oder Herzinfarkt vor. Wie sieht es mit der Taucherkrankheit aus, bei der im Blut gelöste Gase ausperlen und Gewebe verstopfen, was tun bei Überhitzungen im Sommer an Bord oder Unterkühlungen im Winter? Also beginnt jetzt für die Bodendenkmalpfleger die Erstversorgung verunfallter Taucher an Land. Hier lernen die Helfer die richtigen Abläufe, die Aktivierung der Rettungskette, die Gabe von medizinischem Sauerstoff, die Anwendung eines Defibrillators und die Herz-Lungen-Wiederbelebung. Neben der entwickelten Routine werden die Teilnehmenden für ein umsichtiges Tauchen sensibilisiert, so dass die Gefährdung von sich und anderen bestenfalls vermieden wird.

 

 

Jahreshauptversammlung – positives Fazit des Vorstandes

Am Abend nach dem Tauchsicherheits- und Rettungstraining trafen sich die Mitglieder am Standort in Dorf Schmarl zur Jahreshauptversammlung. Hier konnten Vorstand und Mitglieder auf ein produktives und ereignisreiches Jahr 2022 zurückschauen. An zahlreichen Fundplätzen in den Gewässern Mecklenburg-Vorpommerns arbeiteten die Denkmalpfleger 250 Stunden unter Wasser. Gefördert durch das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege dokumentierten und sicherten sie Schiffswracks, Hafen- und Befestigungsanlagen, suchten ehemalige Brücken und Anlegestellen in Binnenseen oder kontrollierten Verdachtspositionen. Nach Erosionen der Sedimente in der Warnemünder Bucht wurden Sonarfahrten an Fundkonzentrationen und einzelnen Bodendenkmalen sowie Strandbegehungen durchgeführt. Die praktischen Arbeiten wurden durch Recherchen zu Schiffswracks und Untergängen in Archiven und Bibliotheken flankiert.

Die gewaltigen Datenmengen wurden dem Landesamt für Kultur und Denkmalpflege zur Übertragung in die Fundplatzarchive übergeben. „In enger Abstimmung mit der Fachbehörde bereiten wir die zahlreichen, aussagekräftigen Daten so auf, dass sie in das Landessystem eingespielt werden können,“ zieht Vereinsvorsitzender Martin Siegel Bilanz. „Es handelt sich hierbei um Berichte, Fotos, Videos, Zeichnungen, Kartierungen in Geoinformationssoftware (GIS), Funddokumentationen, 3D-Modellen von Fundplätzen oder geophysikalische Daten. Mal abgesehen von der Datenmenge, auf die unsere Mitglieder wirklich stolz sein können, haben die Mitarbeiter im Amt auf Grund unserer Vorbereitung wenig Arbeit mit unseren Ergebnissen.“

Mit einer breit angelegten Öffentlichkeitsarbeit konnte der Verein auch seinen gesellschaftlichen Auftrag erfüllen. So gelang es, mit 3D-Modellen von Fundplätzen das Kulturerbe öffentlich zur Verfügung zu stellen und erlebbar zu machen. Ein Highlight dabei stellt die virtuelle Realität eines Schlepperwracks dar, die in Kooperation mit der Gesellschaft für Schiffsarchäologie, dem Fraunhofer Institut für Graphische Datenverarbeitung und der Firma Alpha3 entwickelt wurde. In der Presse, mit Vorträgen, Infoständen und Ausstellungen konnten die Taucher ihre Arbeitsergebnisse präsentieren. „Unser Verein ist mit den modernen Möglichkeiten der Erfassung und Vermittlung von Fundplätzen auf einem guten Weg,“ so Siegel. „Bei fortlaufender Unterstützung durch die Behörden und entsprechender Wertschätzung des haupt- und ehrenamtlichen Engagements unserer Mitglieder, gehen wir in diese Richtung gern weiter. Wir sind sehr froh über die durchweg positiven Reaktionen auf unsere Arbeitsergebnisse und die Realisierung unseres Mottos: Kulturgut = Allgemeingut.“

 

Martin Siegel